Der Bergmann und die AFD

Die unleugbare Parteienverdrossenheit in Deutschland führt zu der Absurdität einer frisch gegründeten Partei, die aus dem Stand heraus fast in den Bundestag einzieht, praktischerweise mit einem nur per Lupe sichtbaren Wahlprogramm. Wer und was steckt hinter diesem „heilsversprechenden“ Projekt AfD.

 

Zunächst, wie bei allen erfolgsversprechenden Parteineugründungen der letzten Jahre, die damalige WASG einmal ausgenommen, zieht sie wie auch zuvor die „Piraten“, faschistoide Elemente an. Hier wird auf die Parteiführung der AfD, welche ja in populistischer Weise mit einigen Begriffen dieser Denkrichtung hantiert, etliches an Distanzierungs- und Ausschlussarbeit zukommen.

Da noch nicht, und wenn, dann nur rudimentär, vorhanden, läßt sich eine neue Partei nicht an ihrer Programmatik analysieren. Zwar weist das vorhandene Material in eine Richtung, indes führt kein Weg an den bestimmenden  Personen, also dem Vorstand, vorbei.

 

Zuallererst Bernd Lucke himself. Um diesen „leuchtenden Stern“ der AfD kommt niemand vorbei, der wissen will, welche politische Richtung diese Partei vertritt. Da der junge Bernd Lucke der Ansicht war, Willy Brandts Entspannungspolitik trage nicht zur Verbesserung der Lebenslage seiner Verwandtschaft in der damaligen DDR bei, trat er mit 14 Jahren der Jungen Union ein[1]. Nach 33 Jahren verließ Lucke die CDU 2011, da er die Euro-Rettungspolitik der CDU für verfehlt hielt.

 

Noch bei den Landtagswahlen 2013 kandidierte er auf Listenplatz 3 der Freien Wähler. Die erreichten 1,1 Prozent reichten für keinen Sitz im Landtag, worauf hin Lucke nach einem Zerwürfnis mit Hubert Aiwanger die Partei[2] verließ, um dann im selben Jahr die AfD zu gründen, wo er seither einer der drei Parteisprecher ist. Und endlich, seit dem 01. Juli 2014 ist Bernd Lucke in einem Parlament angekommen, sinnigerweise im Europäischen. Sollte er allerdings 2017 in den Deutschen Bundestag einziehen, werde er sein europäisches Mandat niederlegen.

Interessanter als sein Streben nach einem Mandat sind die sozialökonomischen Ansichten von Lucke, der zur Zeit beurlaubter Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg ist. Gemeinsam mit Michael Funke und Thomas Straubhaar war er einer der Hauptinitiatoren des kurz vor der Bundestagswahl 2005 von weiteren 243 Wirtschaftswissenschaftlern unterzeichneten „Hamburger Appells“, welcher wirtschaftliche Reformen in Deutschland forderte. Zur Überwindung der damaligen Wachstumsschwäche wurde u. a. die Senkung der Arbeitskosten gefordert[3].

 

Als weiteren Weg zu mehr Wachstum sieht der Hamburger Appell vor, dass Geringverdiener weniger verdienen müssen; daher müsse die Sozialhilfe komplett abgeschafft werden. AfD-Mitchef und –Mitgründer Konrad Adam sieht die Notwendigkeit eines Rückbaus in der Sozialpolitik[4].

 

In den vorhandenen Programmentwürfen der AfD finden sich interessante Forderungen wie die Senkung des Spitzensteuersatzes auf 25 Prozent ebenso wie nach einer Liberalsierung des Arbeitsmarktes. Für den  Mitunterzeichner des Hamburger Appells und AfD-Vordenker Peter Oberender (Universität Bayreuth) wäre es kein Problem, wenn Hartz-IV-Empfänger zur Erhöhung ihrer Finanzen ihre mehr oder weniger verzichtbaren Organe verkaufen: „Wenn jemand existenziell bedroht ist, sollte er die Möglichkeit haben, sich und seine Familie durch den Verkauf von Organen zu finanzieren.“[5].

 

Das im wissenschaftlichen Beirat vertretene AfD-Vorstandsmitglied Roland Vaupel (Volkswirtschaftsprofessor Universität Mannheim) fordert in einer seiner Schriften, den „untersten Klassen“ - unter Hinzuziehung von Solon ( ca 640 bis 560 v. Chr., athenischer Staatsmann, Lyriker, Redner und Philosoph) - das passive Wahlrecht zu entziehen[6].

 

Wen wundert es da, dass diese vor allen unter Ökonomen verbreiteten Ansichten unter den Gründungsmitgliedern der AfD verbreitet sind, zumal viele von diesen gleichzeitig Mitglieder des Friedrich-von-Hayek-Institut sind, einem neoliberalen Thinktank.

 

Und sonst? Nach den Vorstellungen der AfD soll Bildung als Kernaufgabe der Familie gelten, Kitas, Kigas und Schulen sollen die Familien bei ihrem Wirken sinnvoll ergänzen. Der Staat soll auf seine Kernkompetenzen zurückgeschnitten werden. In den staatlich regulierten Sozialversicherungen wird eine Vorstufe zum Sozialismus gesehen. Arbeitnehmer schützen? Nicht nach den veröffentlichen Vorstellungen der Herren (ja, mehrheitlich Männer) Ökonomieprofessoren, die eben eine weitere, noch drastischere Senkung des Spitzensteuersatzes fordern, als seinerzeit von SPD und Grünen vollzogen. Auch eine weitere Liberalisierung des Arbeitsmarktes darf da nicht fehlen. Und wer sich einmal durch den Wust von Zeilen zum Kindergeld gequält hat, wird erstaunt lesen: über je mehr Einkommen die Eltern verfügen, umso wertvoller sollen dem Staat diese Kinder sein (Was zur derzeitigen Kindergeldpraxis paßt, nach der Kinder von Hartz IV-Empfängern dem Staat weniger wert sind.).

 

Noch einmal Konrad Adam aus dem Jahr 2006[7]:“38 Millionen Erwerbstätigen stehen rund 20 Millionen Rentner und Pensionäre, 8 Millionen Behinderte, 6 oder 7 Millionen Arbeitslose und 2 Millionen Studenten gegenüber: Leute, die es als ihr gottgewolltes Recht betrachten, von dem zu leben, was andere für sie aufbringen müssen.“

 

Letztlich war die Gründung einer Anti-Euro-Partei in Deutschland nur eine Frage der Zeit. Die auch ökonomisch falsche Politik der jeweiligen EU-Rettungsschirme zur Rettung von Banken und nicht von Staaten wie Griechenland und erst Recht nicht zur Abwendung von sozialen Härten, führte zum deutschen Äquivalent der Tea-Party-Bewegung, der AfD.

 

Ob eine konservativ markt- und nationalliberale Partei wie die AfD Antworten im Sinne des Bergmanns und aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen hat, was Themen wie Verteilung, soziale Geborgenheit, persönliche Sicherheit betrifft?

 

SPD, Linke und Grüne werden um jene kämpfen müssen, die sich und ihre oft legitimen Interessen nicht mehr vertreten und unbehaglich in diesem Land fühlen, Oder werden sich SPD und Grüne in eine „grosse“ Koalition politischer Resignation flüchten, da die faktische Gewalt multinationaler Konzerne politisches Handeln bestimmt. Wird die LINKE  das kuschlige Bett der Oppositionspartei verlassen.

 

Nur wenn SPD, Grüne und Linkspartei gemeinsame Antworten erarbeiten und zueinanderfinden, werden die Menschen und unser Bergmann über eine Alternative zu CDU/CSU und weiter rechts, AfD, nachdenken und 2017 eine Regierungschance geben.


Oktober 2014, Manfred Gornik



[1] Vgl. Ankenbrand, Hendrik: Bernd Lucke. Der Protestant; in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.12.2013

[2] Vgl. Lachmann, Günther: Warum keiner mehr über die Freien Wähler spricht; in Die Welt, 04.08.2013

[3] Hamburger Appell; in uni-hamburg.de, als PDF

[4] Adam, Konrad: … wenn man mich läßt. Vom notwendigen Rückbau in der Sozialpolitik; S. 32 ff;in:Bissinger Manfred: Stimmen gegen den Stillstand; Hamburg 1997

[5] "Wir brauchen einen regulierten Markt für Organe" Deutschlandradio Kultur vom 22. Dezember 2006

[6] Vaubel. Roland: Der Schutz der Leistungseliten in der Demokratie, in Wirtschaftliche Freiheit, 01.02.2007

[7] Adam, Konrad, Warum soll ich für Sie bezahlen?, Leitartikel – Wohlfahrtsstaat, Steuerstaat; in: Die Welt, 20.05.2006

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Kommentare: 2
  • #1

    Klaus Fischer (Montag, 02 Februar 2015 15:46)

    An den Vorstand der Ortsgruppe

    Da hat jemand ohne Ahnung von der AFD geschrieben. Ich hoffe ,daß ist nicht eure Meinung.Aber was will man auch von einemLinken erwarten ? Nur die AFD kanDeutschland retten ! Wir müssen aus dem Euro raus und die Griechen gehören auch raus!
    Schmeist die rote Socke raus und bringt was vernünftiges. Die Lügenpresse heist Lügenpresse weil sie lügt, so wie dieser Gornik!

  • #2

    Achim (Dienstag, 17 Februar 2015 15:05)

    Hallo Klaus,
    ich finde es gut, dass du Ahnung von der AFD hast und mit dieser Partei
    verbunden bist. Schließlich leben wir in einer Demokratie und jeder kann öffentlich seine Meinung kundtun.
    Ich bitte dich allerdings davon Abstand zu nehmen, meine Kollegin und
    Kollegen in der Öffentlichkeit der Lüge zu bezichtigen.
    Achim